Sterben

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Der deutsche Regisseur Matthias Glasner mag es schwer. Seine bisherigen Filme handeln etwa von Vergewaltigung und sozialer Ächtung, Fahrerflucht und Gewissensnot. In Sterben geht es um eine zerrüttete Familie, emotionale Kälte (Mutter und Sohn), Demenz (der Vater), Krebs (die Mutter), Alkoholsucht (die Tochter) und suizidale Depression (der beste Freund des Sohns), ein gerüttelt Mass an schwerer Kost also. Mundgerecht gemacht wird es einem durch eine Kapiteleinteilung, die zuvor ausgelassene Puzzleteile überraschend aus neuer Sicht zeigt, vor allem aber durch die Crème de la Crème derzeitiger deutscher Schauspielkunst: Corinna Harfouch und Hans-Uwe Bauer als Elternpaar in fortschreitender Auflösung, Lilith Stangenberg und Lars Eidinger als Tochter und Sohn, Roland Zehrfeld als ihr Liebhaber, Robert Gwisdek als sein Freund. Alle zusammen schenken sich nichts, die zentralen Szenen sind gnadenlose Demontagen von Paar-, Geschwister-, Freundschafts- und Eltern-Kind-Beziehungen, in denen man sich von Entfremdung bisweilen bis zum blanken Hass steigert, während Momente unvermuteter Zärtlichkeit oder Hingabe rare Lichtblicke bilden. Gemildert werden die Showdowns jedoch auch von Glasners grimmigem Humor, der den Sohn mit sarkastischen Sprüchen ausstaffiert die Tochter mit destruktivem Verhalten bis zur Grand-Guignol-Komödie. In den besten Momenten hat das den Sog rückhaltloser Aufrichtigkeit, wie man sie von Beziehungs-Pathologen à la Bergman kennt, in den schwächeren kippt es in die strapaziöse Groteske. De facto handelt Sterben weniger vom Tod als von der höchst lebendigen Egozentrik der Figuren und ihrer Unfähigkeit, sich auch mal unernst zu nehmen: eine geharnischte Zeitdiagnose von deutscher Gründlichkeit.