Der Unschuldige
Simon Jaquemet, Switzerland, 2018o
Ruth loves Jesus and works in cutting-edge neuroscience. When her past lover reappears after twenty years in prison her fragile reality comes undone.
Vermutlich der waghalstigste Schweizer Spielfilm, der 2018 in die Kinos kam: Ein Grenzgang zwischen Realität, Wahn und Traum, bei dem sich eine Sektenanhängerin mit einer psychischen und physischen Tour de force dem Zugriff ihrer Familie und Mitsektierer entzieht und einer alten Liebe oder auch nur ihrer inneren Stimme folgt, die vielleicht beide Chimären sind. Der Regisseur, Simon Jacquemet, hat schon mit seinem Erstling Chrieg elementares Kino vorgelegt, der Kraft unerklärter Bilder vertraut und dabei keine Konsequenzen gescheut. In Der Unschuldige geht er seinen Weg mit Siebenmeilenstiefeln weiter und unterläuft den vordergründigen Realismus des Kinos mit ebenso einfachen wie raffinierten Inszenierungseinfällen. Das unappetitliche Milieu der sektiererischen Heilsbramarbasierer sorgt dafür, dass der Film mit maximalem Handicap ins Rennen um die Gunst seines cinephilen Zielpublikums steigt. Doch man lasse sich nicht täuschen: Hier zieht ein junger Schweizer Regisseur alle Register und liefert ein Fantasythrillermelodram auf dem halbirren Niveau eines David Lynch ab.
Andreas FurlerEine Frau, nicht mehr ganz jung, im Gefängnis ihres Lebens. Die Kirche gibt ihr Halt, die Familie singt abends gemeinsam christliche Lieder, aber immer, wenn sie in ein Auto steigt, muss sie rasen. Irgendwann geht die Terrassentür auf, und ein Mann tritt ein. Sie kannte ihn vor langer Zeit, jetzt ist er zurück. Schuld, Wahn und unterdrückte Sexualität liegen bleischwer auf diesen bläulichen Bildern. Simon Jacquemet erzählt eine Geschichte, in der es keine Gnade, aber Erlösung gibt.
Philipp BovermannGalleryo





