Lady Macbeth
William Oldroyd, UK, 2016o
Northern England in the 19th century: Young Katherine lives trapped in a loveless marriage with a rude country nobleman and spends her days practically alone with her black servant in stuffy rooms. When her husband travels, Katherine meets Sebastian, a stable boy, as she takes her first steps towards freedom: the beginning of a violent affair, which she lives out more and more unabashedly until her vicious father-in-law intervenes. But Katherine is determined not to be told what to do anymore.
Nicht die Frau des Shakespeare-Schurken Macbeth, sondern eine russische Novelle des 19. Jahrhunderts lieferte die Vorlage für dieses bitterböse Kostümdrama, und der britische Theaterregisseur William Oldroyd verlegt sie seinerseits in eine karge nordenglische Moorlandschaft mit Modell-Charakter: Seine Lady Macbeth wandelt sich von korsettgeschnürten Opferlamm eines kalten Landadeligen und seines abstossenden Vaters zum Raubtier, nachdem sie eine Affäre mit einem Stallburschen angefangen hat und sich die neue Freiheit um keinen Preis mehr nehmen lassen will. Florence Pugh, kürzlich in Little Women, gibt diese mörderisch improvisierende Ich-AG mit trügerisch sanftem Herzgesicht, doch da kommt statt feministischem Triumph doch Shakespeare ins Spiel: Auch hier unterschätzt die Heldin den Preis der Egomanie – nur, dass sie nicht mit Wahnsinn und Tod zahlt, sondern mit tödlicher Isolation. Konsequenter geht's nicht.
Andreas FurlerBrisk and sure-footed, Lady Macbeth outclasses many of its peers in British period cinema, not because of its bold use of sex and violence, but because of its dramatic intelligence and its skill at filleting contemporary relevance from a classic literary source.
Pamela HutchinsonDer britische Theaterregisseur William Oldroyd verlegt «Die Lady Macbeth aus dem Landkreis Mzensk» des russischen Schriftstellers Nikolai Leskow in den Norden Englands und erzählt von einer Selbstbefreiung als Spirale der Unmoral. Hervorragend sind die Darstellerinnen und Darsteller, insbesondere Florence Pugh als Katherine, die ganz kurz ein halbes Grinsen zeigt angesichts des virilen Gehabes ihres Mannes. So präzis ist das, dass man ihren Gefühlswechseln quasi in Superzeitlupe zuschauen kann.
Pascal BlumEin überragendes Drama des jungen britischen Kinos; scheinbar hermetisch und fest in der Welt des 19. Jahrhunderts verankert und doch so offen gestaltet, das es mit der Gegenwart kommuniziert.
Oliver KaeverFéru de liberté, ce drame du désir est insatiable, passionné et ardent. Baignant dans un torrent de noirceur, il dissèque avec brio l’image de la femme dans la société rurale victorienne, loin des clichés nubiles d’une certaine Jane Austen.
Frédéric MignardCe qui apparaît comme un récit d'émancipation féminine prend toutefois une tournure fort surprenante. Un peu comme si Hitchcock venait y semer le désordre, y injecter une dose de perversité.
Laurent DijanGalleryo






Das fiese Kostümdrama «Lady Macbeth» war die Entdeckung des letzten Zurich Film Festival – eine Erzählung vom Opfer, das zum Herrscher wird.
Angesichts einer solchen Langeweile bekommt sogar die Vorstellung, dass man sich erhängen würde, etwas Vergnügliches. Klingt wie ein blöder Filmkritikersatz, ist aber ein Zitat aus der Erzählung «Die Lady Macbeth aus dem Landkreis Mzensk» des russischen Schriftstellers Nikolai Leskow von 1865. Der britische Theaterregisseur William Oldroyd hat den Schauplatz für seinen ersten Langfilm in den Norden Englands verlegt, aber wir befinden uns noch immer im 19. Jahrhundert: Die 17-jährige Katherine lebt in einer kalten Ehe mit einem viel älteren Mann. Ihre Tage sind geprägt von ebenjener Monotonie, angesichts derer man sich erhängen möchte. Sie streift durch kahle Räume, drapiert sich auf dem Sofa, versucht, nicht einzunicken. Gesellschaft leisten ihr nur die Dienerin und der strenge Schwiegervater. Als der Gatte einmal für längere Zeit ausreitet, kommt ein Pferdeknecht auf den «Kanarienvogel im Käfig» (Leskow) zu. Das ist dann der Beginn einer wunderbaren Leidenschaft. Jedenfalls so lange, bis aus der eingezäunten Frau eine entfesselte sexuelle Kraft geworden ist, die auch vor Totschlag und vergifteten Pilzen nicht haltmacht. Eine Selbstbefreiung als Spirale der Unmoral: Analogien zu Shakespeares Lady Macbeth sind eindeutig vorhanden. Dmitri Schostakowitsch komponierte aus dem Stoff die Oper «Lady Macbeth von Mzensk», über deren «Obszönität» sich Stalin dann so entsetzt äusserte. Da nimmt man das wilde Aufbegehren von Katherine heute deutlich routinierter zur Kenntnis. Aber weil William Oldroyd so verstörend ökonomisch erzählt und er hervorragende Darsteller um sich versammelt hat, holt er dann doch wieder sehr zeitgemässe Resonanzen heraus. Etwa dann, wenn Katherine halb grinsen muss angesichts des virilen Gehabes ihres Mannes. Oder wenn wir merken, dass ihre Opfer dazu tendieren, dunkle Hautfarbe zu haben – menschliche Kosten einer nicht nur weiblichen, sondern überhaupt weissen Selbstbehauptung? Gespielt wird sie von Florence Pugh, der man quasi in Superzeitlupe zuschauen kann, wie eine Freundlichkeitsfassade jugendlicher Dreistigkeit weicht und sich dann zu einer viel böseren Absicht verdüstert. Sie ist eine Entdeckung, und dieses höllisch fiese Kostümdrama ist es auch.