Immortals
Maja Tschumi, Switzerland, Iraq, 2024o
Strong-willed young Milo pretends to be a man so she can move around more freely as a woman in Baghdad. Khalili, an aspiring filmmaker, discovers the power of his camera as a weapon in the fight against the regime. In the aftermath of the 2019 revolution, Milo and Khalili are the faces, eyes, and voices of an Iraqi youth fighting for a better future.
Im Irak sind 60% der Bevölkerung jünger als 25 Jahre. Geboren kurz vor oder nach der US-Invasion, hat diese Generation nie etwas anderes gesehen als Krieg, politisches Chaos und Klüngelwirtschaft. 2019/20 errichtete sie zeitweilig eine Zeltstadt auf dem Tahrirplatz von Bagdad, protestierte gegen die grassierende Korruption, die Gängelung durch Amerikaner und Iraner, religiöse und familiäre Clans – und wurde nach Anfangserfolgen niedergeknüppelt. Immortals setzt rund zwei Jahre nach diesem kurzen Herbst und Frühling der Freiheitlichkeit ein und porträtiert in enger Zusammenarbeit mit den Protagonist:innen eine junge Aktivistin und einen Aktivisten von damals. Im ersten Kapitel des Films lernen wir, primär über nachinszenierte Szenen, die burschikose Programmiererin Milo kennen, die seit den Protesten unter väterlichem Hausarrest steht, keine Papiere mehr hat, sich aber regelmässig in Männerkleidern aus dem Haus stiehlt, um ihre engste Freundin zu besuchen oder Frauen zu beraten, denen noch handfesteres Leid angetan wird. Im zweiten berichtet der Kameramann Khalil, vielfach mit eigenem Material, wie er über das Filmen der Proteste zu sich und in der «Bewegung» ein Zuhause fand. Da wie dort sind die eindringlichen Stimmen und eine ausgeklügelte Tonarbeit prägendes Element der Porträts, von denen das durchgestaltete erste informativer und intensiver ausfällt als das aktivistische, teils repetitive zweite. Ein atmosphärisches und dramaturgisches Kabinettstück für sich ist der dritte Teil, in dem sich Milo zum Exil und der mittlerweile verheiratete Khalil zur Wiederaufnahme seiner Filmarbeit entscheiden wollen. Die nun dominierende Parallelmontage fordert dem Publikum einige Geduld ab, läuft aber auf ein subtiles offenes Ende hinaus, das zum perfekten Sinnbild des irakischen Dauerpatts wird. Die Schweizer Hauptregisseurin des Films, Maja Tschumi, vollzieht mit Immortals ihrerseits den Wechsel von der filmenden Aktivistin zur gewieften Autorin, die mit Dokument und Fiktion, Bild und Ton so souverän jongliert, dass sie bei den Solothurner Filmtagen den höchstdotierten Preis gewann. Man würde sich nicht wundern, wenn sie mit dem Preisgeld ihren ersten Spielfilm schriebe.
Andreas FurlerGalleryo





