The Artist
Michel Hazanavicius, France, Belgium, USA, 2011o
In the Hollywood of 1927, George Valentin is a silent movie superstar. But the advent of the talkies sounds the death knell for his career and sees him fall into oblivion. It is quite the opposite for the ambitious young actress Peppy Miller: The new talking pictures cause her career to skyrocket.
Als Hommage an die Erzählkunst des frühen Kinos verzichtet der Film auf Farbe, Geräusche und Sprache und zündet ein Feuerwerk an Inszenierungseinfällen, um die ureigensten Ausdrucksmittel des filmischen Mediums hochleben zu lassen.
Felicitas KleinerAuch der Slapstick, der große Überlebende der Stummfilmzeit, ist melancholisch im Grunde seines Herzens, eine stille Traurigkeit durchzieht ihn, die man heute oft übersieht und die alles, was schreiend komisch an ihm ist und aggressiv, gehörig dämpft. [...] Die Montage von Michel Hazanavicius passt sich den alten Filmen an in ihren Cadragen und Rhythmen, modern aber ist die Perfektion, mit der sie das tut, die ganze Routine von mehr als hundert Jahren Kinogeschichte, die die schöne Sperrigkeit der Stummfilme abschleift. (Auszug)
Fritz GöttlerMichel Hazanavicius démontre une fois de plus dans The Artist son talent d'imitateur, de pasticheur fou.
Jean-Baptiste MorainLa réussite du film tient à la manière joyeuse dont Michel Hazanavicius s'empare du cinéma d'antan avec les outils du cinéma d'aujourd'hui.
Isabelle RegnierGalleryo






"The Artist" ist ein hinreißender französischer Trip in die amerikanische Kinofrühgeschichte. In eine Zeit, in der sich der Ton seinen Weg in den Film bahnte - und das Genre Stummfilm aussterben ließ. Der großartige Jean Dujardin als tonfilmresistenter Schauspieler hätte den Oscar als bester Hauptdarsteller verdient.
Auch der Slapstick, der große Überlebende der Stummfilmzeit, ist melancholisch im Grunde seines Herzens, eine stille Traurigkeit durchzieht ihn, die man heute oft übersieht und die alles, was schreiend komisch an ihm ist und aggressiv, gehörig dämpft. Ganz und gar melancholisch ist auch "The Artist", der zur Zeit die Herzen der Zuschauer und die prüfenden Köpfe der Juroren zahlloser amerikanischer Gremien und der Academy verzaubert.
Ein frecher Anachronist, eine romantische Komödie im Stummfilmstil, schwarzweiß, ohne Ton, mit Zwischentiteln und mit Slapstickelementen, auf die auch frühe Actionstars wie Valentino, Fairbanks oder John Gilbert nicht verzichten mochten, um ihr Draufgängertum zu demonstrieren, ihre Lebenslust. Auch George Valentin will das nicht, der Held des "Artist", der Stummfilm-Megastar. Doch 1927 wird seinem Leinwandtreiben ein jähes Ende gesetzt - da kommt "Der Jazzsänger" in die Kinos, der erste Tonfilm, und die Studios und die Kinos rüsten aufs neue Medium um.
I won't talk, ist die Reaktion von George, er "sagt" es heroisch in einer Szene seines neuesten Films, als sein grimmiger Gegenspieler ihm Informationen herausfoltern will. George wird tonfilmresistent bleiben, er glaubt an die Widerstandskraft seiner Kunst - die das Manko, den fehlenden Ton, umwandelte in unglaubliche Kreativität.
So dass man, als der Ton kam, mit ihm erst mal einen plumpen Realismus befürchtete, der die magische Qualität des stummen Kinos zerstören würde. "The Artist" feiert die Kunst, die so gestrig wirkt - der Film wurde konzipiert und vorbereitet, als James Cameron mit seinem "Avatar" das Kino im 3D-Rausch brummen ließ.
George glaubt an und investiert in die Zukunft des stummen Kinos, er dreht mit eigenem Geld, unter eigener Regie, einen Film, der wie ein Zerrbild seiner Kunst wirkt - am Ende findet er ein schreckliches Ende, im Treibsand. Der Film wird ein grausamer Flop. Derweil macht Poppy Miller (Bérénice Bejo) Karriere, die junge Frau, die George entdeckt und auf ihren Hollywood-Weg gebracht hat, sie wird der neue Tonfilmstar, flapsig und agil.
Es ist die Geschichte von John Gilbert und Greta Garbo, die da anklingt - Gilbert, einer der größten Stummfilmstars, heute vergessen, seine Stimme, heißt es, sei nicht stark genug gewesen, er hätte Alkoholprobleme gehabt.
"The Artist" ist ein Film französischer Provenienz, in amerikanischer Studiotechnik gedreht und an amerikanischen Locations - das Haus von Poppy ist das von Mary Pickford, die America's Sweetheart war und Fairbanks' Frau. Und ganz nebenbei führt er die französischen Wurzeln des chevaleresken Hollywoodkinos vor. Französisch sind nicht nur der Regisseur und die Hauptakteure, sondern auch das Medium, das den Geist der Kinogeschichte lebendig erhält, die Cinemathèque Française in Paris, wo die Beteiligten die Filme sahen von Murnau und Borzage und Chaplin und Stroheim und Browning.
Ein Blick in die Welt von Gestern
Die Montage von Michel Hazanavicius passt sich den alten Filmen an in ihren Cadragen und Rhythmen, modern aber ist die Perfektion, mit der sie das tut, die ganze Routine von mehr als hundert Jahren Kinogeschichte, die die schöne Sperrigkeit der Stummfilme abschleift. Erfolgreich waren Hazanavicius und sein Star Jean Dujardin mit ihren "OSS 117"-Agentenparodien, die ein Genre der Sechziger durchaus ernst nahmen, das selber schon über sich selbst juxte. In diesen Filmen steckt denn auch, an manchen Stellen unübersehbar, das Verlangen, Melodram zu machen. Kino über Leute, die eine Ahnung in sich tragen, dass ihre Welt dem Untergang geweiht ist, und sie mit ihr.
Dujardin ist großartig als George Valentin, er hätte den Oscar als Hauptdarsteller verdient, weil er - dagegen ist der Job seines Hauptkonkurrenten Clooney in "The Descendants" wirklich easy - darauf verzichtet, seinen George liebenswert zu machen. Der hat wohl alle Macken eines frühen Stars, den jugendlichen Narzissmus, die naive Brutalität, mit der er über das Gefühlsleben der anderen trampelt. Dieses grausam-liebenswerte Sich-in-den-Vordergrund-Spielen. Ein Artist, aber manchmal führt er sich wie ein veritables Arschloch auf. Solarpower attestiert Michel Hazanavicius seinem Star Jean Dujardin, da steckt auch etwas Zerstörerisches, etwas Selbstzerstörerisches drin.
Ein moderner Stummfilm über die Stummfilmzeit – funktioniert das? Und wie!
Es gibt Menschen, die sehen sich aus Prinzip keine Schwarzweissfilme an; von Stummfilmen gar nicht zu reden. Dennoch ist anzunehmen, dass ein paar dieser Menschen, ja vielleicht ganz viele, in den nächsten Wochen «The Artist» anschauen werden – einen Schwarzweissfilm, in dem kein einziges Wort geredet wird. Der hat soeben Golden Globes für die beste Komödie, die beste Filmmusik und den besten Komödiendarsteller gewonnen und gilt als heisser Kandidat für den Oscar.
Erzählt wird eine simple, nicht ganz neue Geschichte: Ein gefeierter Stummfilmdarsteller (Jean Dujardin) kann sich nicht abfinden mit dem aufkommenden Tonfilm, versteift sich auf eine Eigenproduktion, die ihn ruiniert, und versinkt im Elend. Derweil steigt eine junge Unbekannte (Bérénice Bejo) zum Star auf.
An der Originalität des Stoffes liegt es also nicht, dass «The Artist» ein solcher Erfolg bei Kritik und Publikum ist. Aber vielleicht spürt man eben, dass sich da jemand einen Traum erfüllt hat. Zehn Jahre lang nämlich träumte Michel Hazanavicius, ein französischer Regisseur litauischer Abstammung, davon, einen Stummfilm zu drehen. Für ihn ist das Film in seiner reinsten und schönsten Form: Wenn die Schauspieler keinen Text haben, muss alles in Bildern erzählt werden.
Niemand nahm Hazanavicius’ Idee ernst – doch dann hatte er mit seinen Parodien auf die «OSS 117»-Agentenfilme in Frankreich grossen kommerziellen Erfolg, und ein Produzent liess sich auf das Projekt ein. Man konnte die Produktion sogar nach Hollywood verlegen, in der Villa eines echten Stummfilmstars drehen und amerikanische Grössen wie John Goodman und James Cromwell für das verrückte Unternehmen gewinnen.
Nicht alles in «The Artist» ist gelungen: Bejo, die weibliche Hauptdarstellerin, ist zwar lustig und schön, sieht aber schlicht zu modern (und zu dünn) aus für einen Stummfilmstar. Wenn der Abgehalfterte eine Treppe hinunterwankt, die das Starlet hinaufstrebt, ist die Symbolik arg plump. Doch die Bilder sind exquisit, Dujardin gelingt es tatsächlich, den Charme eines Actionstars wie Douglas Fairbanks zu versprühen. Und was die junge Frau in der Garderobe des verehrten Schauspielers mit dessen Jackett anstellt, ist wirklich zum Heulen schön. Wer weiss, vielleicht macht «The Artist» ja jemandem Lust, F. W. Murnaus «Sunrise» oder Frank Borzages «7th Heaven» anzuschauen, zwei Lieblingsfilme von Michel Hazanavicius?