Orlando
Sally Potter, UK, 1992o
England around 1600: The nobleman Orlando, a young man of androgynous beauty, is richly endowed by the aged Queen Elizabeth – on condition that he never grows old. The royal wish comes true. Orlando lives through centuries, is disappointed in his love for a beautiful Russian princess, takes refuge in poetry and becomes an English ambassador to the Orient in order to continue his life as a woman and experience the restrictions associated with this. Once he arrives in the present, he experiences liberation from the dictates of gender.
Die Zeit ist überreif für die Wiederentdeckung dieses hinreissenden Spiels mit den Geschlechterrollen im Lauf von vier Jahrhunderten: Wie kühn, wie virtuos und federleicht die Britin Sally Potter 1992 den humoristischen Roman ihrer Landsfrau Virginia Woolf aus dem Jahre 1928 verfilmte! Genau wie in der Vorlage bewegt sich der androgyn anmutende junge Lord Orlando in ewiger Jugend durch das 17. und 18. Jahrhundert, wird dabei in der Liebe zu einer russischen Gräfin schwer enttäuscht, scheitert an der Poesie, flüchtet in die Politik, wechselt wundersam das Geschlecht und erlebt die Einschränkungen als Frau im physischen und gesellschaftlichen Korsett des Rokoko und der viktorianische Zeit, um sich in der Gegenwart endlich vom Diktat der Genderzuschreibungen zu befreien. Radikal entschlackt vom historischen Firlefanz der Vorlage und konträr zu den doktrinären Debatten der Gegenwart jedoch, unterläuft der Film die Normierung durch das Geschlecht vom ersten Moment an mit schillernder Ironie: Königin Elisabeth wird vom legendären Crossdresser Quentin Crisp gespielt, ein kastrierter Countertenor vom Bronksi-Beat-Sänger Jimmy Sommerville, die Dekors und die Kostüme sind so irrwitzig überzogen und wunderschön anzusehen wie bei Fellini, das Woolfsche Parlando perlt von Anspielungen und Pointen. Alles das aber wäre nicht halb so schön ohne die junge Tilda Swinton als Orlando. Mit ihrer ätherischen Aura ist sie die Inkarnation der Titelfigur, zudem schauspielerisch schon grosse Klasse: die Geburtsstunde einer Ikone.
Andreas FurlerDirected with sly grace and quiet elegance by Sally Potter, it is not about a story or a plot, but about a vision of human existence. What does it mean to be born as a woman, or a man? To be born at one time instead of another? To be born into wealth, or into poverty, or into the traditions of a particular nation?
Roger Ebert