Sirāt
Oliver Laxe, Spain, Morocco, France, 2025o
A father and his son arrive at a rave deep in the mountains of southern Morocco. They are searching for their daughter and sister, who disappeared months ago in this party scene. When they hear about another rave taking place in the middle of the desert, they join the convoy.
Der Spanier Oliver Laxe hat Mut. Sein vierter Spielfilm ist ein gewagter ästhetischer Cocktail mit Techno-Einflüssen, der sowohl von Antonioni und Tarkowski als auch von George Millers Mad Max-Saga geprägt ist. Im Kern aber ist Sirat ein Western: Ein Fünfzigjähriger (Sergi López) besucht zusammen mit seinem kleinen Sohn eine Rave-Party in Marokko, um seine älteste Tochter wiederzufinden, von der er seit Monaten nichts mehr gehört hat. Auf der Suche nach dieser Gefangenen der Wüste treffen sie auf eine Gruppe von Raver:innen, die sich auf den Weg zu einer weiteren Party machen. Getrieben von der schwindenden Aussicht, dort die Gesuchte zu finden, beschliesst das mit einem bescheidenen Stadtfahrzeug ausgestattete Duo, den Raver:innen in ihren Geländewagen zu folgen. Während des gesamten ersten Teils des Films begleiten wir diese zusammengewürfelte Truppe durch unwirtliche Landschaften von faszinierender Schönheit. Kino, reduziert auf das Wesentliche: Körper in Bewegung beim Durchstreifen der Natur. Nur dass die Pioniere des klassischen Western Randfiguren gewichen sind, die einer sterbenden Zivilisation entfliehen. In der Mitte des Films kommt es zu einer Wende im wörtlichen und im übertragenen Sinne, danach ist nichts mehr wie zuvor. Die Zäsur erinnert an die Trennlinie in L’avventura: In Antonionis Film verschwindet eine Frau in der Mitte des Films – der zweite Teil ist ihrer Suche gewidmet. Bei Laxe tritt die Suche nach einer Verschwundenen am Ende des ersten Teils buchstäblich in den Hintergrund. Die zweite Hälfte ist ein aufwühlender Bad Trip und eine Endzeit-Parabel, in der die Figuren nur noch mit Tricks wie in einem Tarkowski-Film aus der übermächtigen Wüste herausfinden. Dafür sind wir Zuschauende nun ihre Gefangenen: Die Bilder des Films verfolgen uns immer weiter.
Émilien Gür
